Publiziert von: Mark Haltmeier
Bereitgestellt: 07.04.2011
Pfarramt im Wandel - Chance und Aufgabe
Die Studientagung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) - Leuenberger Kirchengemeinschaft fand vom 17. bis 21. Oktober 2005 in Berlin statt. Ira Jaillet war dabei als vertreterin des SRPV Vorstands. Sie wird uns währends dieses Jahr im inter pares wichtige Elemente und Beobachtungen mitteilen.
Ira Jaillet,
Die Einladung
Die Einladung erreichte uns im SRPV-Vorstand über den SEK: Die Union Evangelischer Kirchen in der EKD öffnet ihre jährliche Studientagung für Pfarrerinnen und Pfarrer für Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Kirchen der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, sprich der Leuenberger Kirchengemeinschaft.
Für mich trifft das Thema ins Schwarze. Mein Durst nach Austausch, nach Horizonterweiterung und theoretischer Erhellung ist angesichts der institutionell angespannten Lage in der waadländischen Kirche immens. Zwischen Pfarrerschaft und Kirchenleitung gibt es immer wieder und immer öfter Verständigungsschwierigkeiten und Interessenkonflikte. Wie auch in anderen Kirchen stellt sich zunehmend die Frage, wie das Pfarramt in der heutigen Gesellschaft nicht nur theoretisch und empirisch zu erfassen, sondern vor allem überhaupt noch zu leben und zu erfüllen ist. Wer definiert, was eine Pfarrerin oder ein Pfarrer sein und tun soll? Und wer definiert, was ein guter Pfarrer zu sein und zu tun hat?
Berlin
Noch ganz unter dem Eindruck der guten Erfahrung mit dem europäischen Pfarrkongress in Loegumkloster melde ich mich an und bekomme ?anders als meine Vorstandskollegin Ursula Deola, die etwas später zusagt und eine Absage erhält- eine Zusage. 26 TeilnehmerInnen, 5 PfarrerInnen im Leitungsteam und insgesamt 6 TeilnehmerInnen (DK, CZ, RO, CH, FIN, A) aus der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. Die niedrige Teilnehmerzahl überrascht mich positiv. Gespannt reise ich an: Meine erste Wiederbegegnung mit Berlin nach über 20 Jahren. Ich bin mit der Mauer im Kopf und vor der Nase im deutsch-deutschen Grenzgebiet in Südniedersachsen aufgewachsen. Berlin... Das ruft vieles, vieles wach.
Das Dietrich-Bonhoeffer-Haus
Der Tagungsort erweist sich unmittelbar als geschichtsträchtig. Das Dietrich-Bonhoeffer-Haus wurde 1987 als Begegnungsstätte zwischen Ost und West im östlichen Zentrum der damals noch geteilten Stadt errichtet. Politische Bedeutung erhielt es als Tagungsort des ersten «Zentralen Runden Tisches», der am 7.12.1989 mit der Entscheidung für freie Wahlen in der DDR das Ende der Teilung Deutschlands einleitete. Es liegt nicht einmal 10 Minuten Fussweg vom Reichstag entfernt, in umittelbarer Nähe vom Dom, der Museumsinsel, Unter den Linden und natürlich: der Spree.
Die UEK
Als ebenso geschichtsträchtig erweist sich die Union Evangelischer Kirchen (UEK) in der EKD, über die mich die diversen Teilnehmer, vor allem aus den neuen Bundesländern, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden Würtemberg, freundlich aufklären.
Erst 2003 entstand diese Union aus den unterschiedlichen , teilweise schon in der EKU (Evangelische Kirche der -preussischen- Union) zusammengeschlossenen, «unierten» Kirchen Deutschlands, die grösstenteils auf den organisatorischen Zusammenschluss der reformierten und lutherischen Kirchen Preussens zurückgehen. In der Zeit des eisernen Vorhangs war die die staatliche Trennung überdauernde EKU eine der wenigen Begegnung ermöglichenden Institutionen.
Etwas kleinmütig stelle ich meine kirchengeschichtlichen Lücken fest, freue mich aber darüber, einmal genauer mit den unierten Kirchen zu tun zu bekommen. Aus meinem Heimatland Niedersachsen kenne ich vor allem die lutherische Kirche und eine beträchtliche Engführung der Reformation auf Luther.
Eine andere freudige Überraschung: einige Kollegen kennen die Schweiz gut, da sie dort einige Semester Theologie studiert haben. Eine Kollegin erweist sich als die Schwiegertochter von Wilhelm Furtwängler. Ein anderer Kollege hat in Genf Vikariat gemacht, ist im Wallis ordiniert worden und war dort sogar Synodalrat: Eckhart Altemüller-Klaas.
Das Tagungsthema
«Die diesjährige Studientagung ist herausgefordert durch die vielfältigen Veränderungsprozesse, mit denen sich Pfarrerinnen und Pfarrer gegenwärtig bei der Führung ihres Pfarramtes konfrontiert sehen. Diese betreffen nicht nur veränderte Aufgabenstellungen und Erwartungen von Seiten der Gemeinden und Kirchenleitungen. Auch die Rahmenbedingungen des Pfarrberufes und seine gesellschaftliche Position wandeln sich rapide. Solche Prozesse verunsichern und oft werden anstehende Veränderungen mehr als Drohung denn als Chance verstanden. Nicht immer gelingt es in den Pfarrkonventen, offen und konstruktiv über die Erfahrungen zu sprechen. Die Tagung möchte durch historische Ausblicke, berufssoziologische Perspektiven und pastoralpsychologische Überlegungen zur Klärung und Versachlichung der anstehenden Probleme beitragen.»
So stand es in der Einladung. Vier Beiträge waren meines Erachtens, gerade in ihrer Unterschiedlichkeit, ja teilweise völlig konträren Einschätzung und Verarbeitung der Situation, so interessant und profiliert, dass ich sie in den nächsten Nummern von inter pares jeweils zusammenfassend vorstellen möchte.
1. «Pfarramt im Wandel - berufssoziologische Aspekte»: Birgit Weyel.
2. Das Verständnis der Ordination in der aktuellen Diskussion: Dorothea Wendebourg.
3. Freiheit und Struktur - Pastoralpyschologische Überlegungen zum Pfarrberuf: Prof. Ulrike Wagner-Rau.
4. Geistliche Praxis im Pfarramt: Prof. Klaus Raschzock.
Ausflüge
Neben einem Vortrag zum Thema aus kirchenleitender Sicht, Literaturabenden zu Leben in Pfarrhaus und Pfarramt, Gesprächen bei Tisch und, vor allem spätabendlichen, Entdeckungsspaziergängen ins Zentrum von Berlin (dazu könnte ich eigens einen Vortrag halten: Ich bin kein Stadtmensch, aber diese Stadt hat es mir angetan! Solltet Ihr einmal einfach «raus wollen»... Eine spannende, hellwache Stadt!), gab es gemeinsame Ausflüge in gemeindliche Brennpunkte in und um Berlin.
Zum einen ins Landfluchtgebiet Wittstock/Dosse, etwa 100 km nördlich von Berlin: Gemeinden sehen sich hier mit extrem schrumpfenden Mitgliederzahlen, entsprechend grossen Gebieten, knappen Finanzmitteln und sozialen und politischen Problemen wie Rechtsradikalismus konfrontiert. Da stellt sich die Frage nach dem, was Leben und Hoffnung überhaupt wieder weckt, wie sie uns der dort amtierende Superintendent Lohman sehr lebendig vermittelt hat. Zum anderen in die Gethsemanegemeinde auf dem Prenzlauer Berg, deren Gottesdienstbesucher- und Gemeindemitgliederzahlen explodieren, die sowohl in der Zeit vor der Wende als auch weiterhin eine Art religiöser Avantgarde darstellt und damit sehr erfolgreich ist.
Diskussionsthemen
Durch die Bank weg: Konflikte mit Kirchenleitungen, Stellenknappheit, Vorrang ökonomischer Gesichtspunkte, Unterschiedlichkeit der Anstellungsverfahren und -zuständigkeiten, Konkurrenz zwischen akademisch voll ausgebildeten Pfarrern und -im Fall der unierten Kirchen- Predikanden, die die Hälfte kosten. Entsprechend wichtig wird die Klärung der Frage, was eigentlich Ordination heisst, aber auch wie solche Stellen hierarchisch einander zuzuordnen sind. Eine andere Frage: Vereinheitlichung im Amtsverständnis auf EKD (Evangelische Kirche in Deutschland)-Ebene. Deutlich auch: eine theologische, ekklesiologische und geistliche «Denkpause» ist angesagt. Nur mit Management geht es nicht.
Im Namen des Vorstands,
Ira Jaillet
Die Einladung erreichte uns im SRPV-Vorstand über den SEK: Die Union Evangelischer Kirchen in der EKD öffnet ihre jährliche Studientagung für Pfarrerinnen und Pfarrer für Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Kirchen der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, sprich der Leuenberger Kirchengemeinschaft.
Für mich trifft das Thema ins Schwarze. Mein Durst nach Austausch, nach Horizonterweiterung und theoretischer Erhellung ist angesichts der institutionell angespannten Lage in der waadländischen Kirche immens. Zwischen Pfarrerschaft und Kirchenleitung gibt es immer wieder und immer öfter Verständigungsschwierigkeiten und Interessenkonflikte. Wie auch in anderen Kirchen stellt sich zunehmend die Frage, wie das Pfarramt in der heutigen Gesellschaft nicht nur theoretisch und empirisch zu erfassen, sondern vor allem überhaupt noch zu leben und zu erfüllen ist. Wer definiert, was eine Pfarrerin oder ein Pfarrer sein und tun soll? Und wer definiert, was ein guter Pfarrer zu sein und zu tun hat?
Berlin
Noch ganz unter dem Eindruck der guten Erfahrung mit dem europäischen Pfarrkongress in Loegumkloster melde ich mich an und bekomme ?anders als meine Vorstandskollegin Ursula Deola, die etwas später zusagt und eine Absage erhält- eine Zusage. 26 TeilnehmerInnen, 5 PfarrerInnen im Leitungsteam und insgesamt 6 TeilnehmerInnen (DK, CZ, RO, CH, FIN, A) aus der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. Die niedrige Teilnehmerzahl überrascht mich positiv. Gespannt reise ich an: Meine erste Wiederbegegnung mit Berlin nach über 20 Jahren. Ich bin mit der Mauer im Kopf und vor der Nase im deutsch-deutschen Grenzgebiet in Südniedersachsen aufgewachsen. Berlin... Das ruft vieles, vieles wach.
Das Dietrich-Bonhoeffer-Haus
Der Tagungsort erweist sich unmittelbar als geschichtsträchtig. Das Dietrich-Bonhoeffer-Haus wurde 1987 als Begegnungsstätte zwischen Ost und West im östlichen Zentrum der damals noch geteilten Stadt errichtet. Politische Bedeutung erhielt es als Tagungsort des ersten «Zentralen Runden Tisches», der am 7.12.1989 mit der Entscheidung für freie Wahlen in der DDR das Ende der Teilung Deutschlands einleitete. Es liegt nicht einmal 10 Minuten Fussweg vom Reichstag entfernt, in umittelbarer Nähe vom Dom, der Museumsinsel, Unter den Linden und natürlich: der Spree.
Die UEK
Als ebenso geschichtsträchtig erweist sich die Union Evangelischer Kirchen (UEK) in der EKD, über die mich die diversen Teilnehmer, vor allem aus den neuen Bundesländern, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden Würtemberg, freundlich aufklären.
Erst 2003 entstand diese Union aus den unterschiedlichen , teilweise schon in der EKU (Evangelische Kirche der -preussischen- Union) zusammengeschlossenen, «unierten» Kirchen Deutschlands, die grösstenteils auf den organisatorischen Zusammenschluss der reformierten und lutherischen Kirchen Preussens zurückgehen. In der Zeit des eisernen Vorhangs war die die staatliche Trennung überdauernde EKU eine der wenigen Begegnung ermöglichenden Institutionen.
Etwas kleinmütig stelle ich meine kirchengeschichtlichen Lücken fest, freue mich aber darüber, einmal genauer mit den unierten Kirchen zu tun zu bekommen. Aus meinem Heimatland Niedersachsen kenne ich vor allem die lutherische Kirche und eine beträchtliche Engführung der Reformation auf Luther.
Eine andere freudige Überraschung: einige Kollegen kennen die Schweiz gut, da sie dort einige Semester Theologie studiert haben. Eine Kollegin erweist sich als die Schwiegertochter von Wilhelm Furtwängler. Ein anderer Kollege hat in Genf Vikariat gemacht, ist im Wallis ordiniert worden und war dort sogar Synodalrat: Eckhart Altemüller-Klaas.
Das Tagungsthema
«Die diesjährige Studientagung ist herausgefordert durch die vielfältigen Veränderungsprozesse, mit denen sich Pfarrerinnen und Pfarrer gegenwärtig bei der Führung ihres Pfarramtes konfrontiert sehen. Diese betreffen nicht nur veränderte Aufgabenstellungen und Erwartungen von Seiten der Gemeinden und Kirchenleitungen. Auch die Rahmenbedingungen des Pfarrberufes und seine gesellschaftliche Position wandeln sich rapide. Solche Prozesse verunsichern und oft werden anstehende Veränderungen mehr als Drohung denn als Chance verstanden. Nicht immer gelingt es in den Pfarrkonventen, offen und konstruktiv über die Erfahrungen zu sprechen. Die Tagung möchte durch historische Ausblicke, berufssoziologische Perspektiven und pastoralpsychologische Überlegungen zur Klärung und Versachlichung der anstehenden Probleme beitragen.»
So stand es in der Einladung. Vier Beiträge waren meines Erachtens, gerade in ihrer Unterschiedlichkeit, ja teilweise völlig konträren Einschätzung und Verarbeitung der Situation, so interessant und profiliert, dass ich sie in den nächsten Nummern von inter pares jeweils zusammenfassend vorstellen möchte.
1. «Pfarramt im Wandel - berufssoziologische Aspekte»: Birgit Weyel.
2. Das Verständnis der Ordination in der aktuellen Diskussion: Dorothea Wendebourg.
3. Freiheit und Struktur - Pastoralpyschologische Überlegungen zum Pfarrberuf: Prof. Ulrike Wagner-Rau.
4. Geistliche Praxis im Pfarramt: Prof. Klaus Raschzock.
Ausflüge
Neben einem Vortrag zum Thema aus kirchenleitender Sicht, Literaturabenden zu Leben in Pfarrhaus und Pfarramt, Gesprächen bei Tisch und, vor allem spätabendlichen, Entdeckungsspaziergängen ins Zentrum von Berlin (dazu könnte ich eigens einen Vortrag halten: Ich bin kein Stadtmensch, aber diese Stadt hat es mir angetan! Solltet Ihr einmal einfach «raus wollen»... Eine spannende, hellwache Stadt!), gab es gemeinsame Ausflüge in gemeindliche Brennpunkte in und um Berlin.
Zum einen ins Landfluchtgebiet Wittstock/Dosse, etwa 100 km nördlich von Berlin: Gemeinden sehen sich hier mit extrem schrumpfenden Mitgliederzahlen, entsprechend grossen Gebieten, knappen Finanzmitteln und sozialen und politischen Problemen wie Rechtsradikalismus konfrontiert. Da stellt sich die Frage nach dem, was Leben und Hoffnung überhaupt wieder weckt, wie sie uns der dort amtierende Superintendent Lohman sehr lebendig vermittelt hat. Zum anderen in die Gethsemanegemeinde auf dem Prenzlauer Berg, deren Gottesdienstbesucher- und Gemeindemitgliederzahlen explodieren, die sowohl in der Zeit vor der Wende als auch weiterhin eine Art religiöser Avantgarde darstellt und damit sehr erfolgreich ist.
Diskussionsthemen
Durch die Bank weg: Konflikte mit Kirchenleitungen, Stellenknappheit, Vorrang ökonomischer Gesichtspunkte, Unterschiedlichkeit der Anstellungsverfahren und -zuständigkeiten, Konkurrenz zwischen akademisch voll ausgebildeten Pfarrern und -im Fall der unierten Kirchen- Predikanden, die die Hälfte kosten. Entsprechend wichtig wird die Klärung der Frage, was eigentlich Ordination heisst, aber auch wie solche Stellen hierarchisch einander zuzuordnen sind. Eine andere Frage: Vereinheitlichung im Amtsverständnis auf EKD (Evangelische Kirche in Deutschland)-Ebene. Deutlich auch: eine theologische, ekklesiologische und geistliche «Denkpause» ist angesagt. Nur mit Management geht es nicht.
Im Namen des Vorstands,
Ira Jaillet