Aspekte einer intergenerationellen Teamarbeit
Sie würden auf Dementoren treffen, behauptet Angela Rinn im Juni 2023 in einer zeitzeichen-Kolumne, auf jene Wesen aus dem Harry-Potter-Universum, die Energie und Freude aussaugen.
Sie würden auf Dementoren treffen, behauptet Angela Rinn im Juni 2023 in einer zeitzeichen-Kolumne, auf jene Wesen aus dem Harry-Potter-Universum, die Energie und Freude aussaugen.
Lernvikar:innen und Pfarrpersonen in den ersten Amtsjahren fänden diese Dementoren unter älteren Pfarrkolleg:innen. Diese zeigten ihr Desinteresse oder drückten ihr Bedauern aus, dass jene nun retten sollen, was nicht zu retten sei. Als Professorin an der Theologischen Schule in Herborn/D, in der für die Landeskirche Hessen-Nassau ausgebildet wird, ist Rinn nah dran an Berufsanfänger:innen. Besteht also ein Konflikt zwischen den Generationen in der Pfarrschaft? Ich denke nicht. Aber es verweben sich verschiedene Themen. Heikles wie Fragen der Zusammenarbeit und dem feu sacré, der Umgang mit Strukturen und innovativen Ideen fürs Kirche-Sein, Lebens- und Berufsförmigkeit des Pfarrberufs, Relevanzfragen und Erschöpfung. Und es geht um die Frage, wie (intergenerationelle) Teamarbeit aussehen könnte. Im Folgenden einige Gedanken dazu mit Fokus auf Studierende und jüngere Pfarrpersonen.
Auch ich kenne Geschichten von Studierenden, Lernvikar:innen und Pfarrpersonen in den ersten Amtsjahren, die von verstörenden Begegnungen erzählen, von müden Teams, abgelöschten Pfarrkolleg:innen, manch lautem Jammern. Und weil es zwei Seiten gibt: Ich höre Rückmeldungen zu neuen Kolleg:innen im Pfarramt. Dass manche sich mehr abgrenzen als einbringen würden oder bisherige Strukturen und Erfahrungen als tempi passati abtun. Aber einen Grundkonflikt zwischen den Generationen im Pfarrberuf sehe ich nicht. Selbst erlebe ich viele motivierte Pfarrpersonen, Studierende und Lernvikar:innen. Auf letztere fokussiere ich.
Intergenerationales Lernen
In den Medien werden junge Menschen häufig generationstypisch beschrieben. Allerdings helfen Einteilungen in x, y und z nur wenig. Ein immer grösser werdender Teil der Studierenden kommt über den zweiten oder dritten Bildungsweg zum Theologiestudium. Es gibt keine Einheitsbiographie bei Studierenden der Theologie. Die gibt es schon länger nicht mehr, aber die Diversität hat in den letzten Jahren nochmals deutlich zugenommen. Eigentlich alle Lernvikar:innen bringen Arbeitserfahrungen mit und differenzierte Blickwinkel auf die Arbeitswelt. Dazu gehören z.B. Fragen nach Arbeitszeit, Effektivität, Vereinbarkeiten aber auch Interprofessionalität. Ich habe z.B. am Pfarrberuf geschätzt, selbständig über meine Arbeitszeit zu verfügen und hätte eine genaue Zeitberechnung als einengend erlebt. Aber von Lernvikar:innen lerne ich, dass es etwas Befreiendes haben kann, mit genaueren Zeitarbeitsmodellen unterwegs zu sein. Hier zeigt sich m.E. etwas Generelles: Intergenerationales Lernen ist nicht von den Älteren her auf die Jüngeren in Form eines Meister-Schüler-Verhältnis zu denken, als Einbahnstrasse, sondern ist gegenseitiges Lernen.
Kirche wird sich ändern
Das Interesse an Teamarbeit ist bei Studienanfänger:innen der Theologie stark vorhanden. Das zeigt die Studie vom Maximilian Baden aus dem Jahr 2021, in der er knapp 600 Studierende im ersten Semester befragte. Zwei grosse Gruppen stechen heraus: eine Gruppe, für die Glaubensfragen entscheidend ist und eine Gruppe, für welche die soziale Dimension des Pfarrberufs zentral ist. Überhaupt wird Theologie vor allem mit dem Berufsziel Pfarrer:in studiert. Für einen hohen Anteil von Studierenden waren es Pfarrpersonen, die sie zum Studium inspirierten. Allerdings ist deswegen das Theologiestudium für die Studierenden nicht einfach Mittel zum Zweck. Sie schätzen die Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Fragen der Theologie. Die Mehrheit würde, wenn es einen anderen Weg zum Pfarrberuf geben würde, diesen nicht wählen, so die Teilnehmenden an der Studie. Hier zeigt sich, dass sich die aktuellen kleinen Zahlen von Theologiestudierenden durch eine andere Studienform nicht zwangsläufig erhöhen würden. Schwerwiegender ist vielmehr, dass viele Menschen gar nicht mehr wissen, was Pfarrpersonen eigentlich machen. Unabhängig davon ist natürlich zu überlegen, welche Wege es zum Pfarrberuf geben soll. In der Deutschschweiz gibt es hierfür aktuell viel Bewegung, in Halle/D gibt es eine neue Form von Theologiestudium für Pionier:innen in der Kirche. Für die Studierenden in der Umfrage ist es aber selbstverständlich, dass sie Kirche verändern werden. Das ist nicht ihre Hauptmotivation, aber es zeigt ein fluides Verständnis von Kirche, das offen ist für Veränderungen. Zusammenarbeit funktioniert daher durch ein Einlassen auf ein flexibles Verständnis von Kirche und damit auch Hinterfragen bisheriger Zuteilungen. Das hinterfragt besonders «Gärtli-Pflege» in Teams.
Zukunfts-Schwerpunkte
Im Buch «Kirche der Zukunft – Zukunft der Kirche» haben 23 jüngere Pfarrpersonen erzählt, welche Schwerpunkte sie als zukunftsweisend sehen. Drei Schwerpunkte kristallisieren sich dabei heraus. Sie wollen in Zukunft Kasualien mehr Raum geben, was auch heisst, neue Kasualien zu entdecken. Sie wollen mehr im Sozialraum mitwirken, Verbündete ausserhalb der Kirchen suchen. Und sie wollen in kirchlichen Gemeinschaften vor Ort Menschen empowern, Kirche zu leben, wollen Kirche sein mit anderen. Das sind keine revolutionären Ideen, aber sie zeigen u.a. ein anderes Teamverständnis, als es sowohl in der Pastoraltheologie als auch in der Praxis häufig zu finden ist. Es geht gerade nicht um Teams, die unter dem Aspekt des Ergänzens zusammengestellt werden, sondern um eine Teamarbeit von Gleichgesinnten, die einer gemeinsamen Idee nachgehen. Und gerade hier wäre es ein Reichtum, wenn Menschen unterschiedlicher Generationen zusammenwirken könnten, die voneinander lernen und mehr als das eigene Gärtli im Blick haben.