Am 1. September ist Pfarrer Otto Streckeisen verstorben. Am 1. Oktober wäre er 95 Jahre alt geworden. In Löhningen ist er aufgewachsen, dort hat er mit seiner Partnerin Maria Steinauer seinen Ruhestand genossen und dort auf dem Friedhof ist er nun auch begraben.
Otto wurde mein Betreuer, als ich 1986 mit dem Theologiestudium begann. Da war er schon pensioniert. Deswegen musste diese Funktion natürlich eingehend besprochen werden und so war ich einige Male bei ihm daheim an der Neustadt, wo er zusammen mit seiner politisch engagierten Frau Friedel wohnte. Dann wurde sie krank und ein Jahr später war er Witwer …
Er hatte das grosse Glück, nochmals eine Partnerin zu finden, mit der er sich zudem der Musik widmen konnte. Denn er war von Kind an ein begabter Musiker. Noch bevor er sie lesen konnte, stellte er pro forma Noten aufs Klavier – allerdings verkehrt herum, wie er schmunzelnd erzählte. Gespielt hat er trotzdem, nach Gehör. Noch im Pensionsalter begleitete er seine Kolleginnen und Kollegen an der Orgel und auf dem Klavier und erklärte ihnen freihändig improvisierend die Kirchentonarten.
Im Schulhaus in Löhningen ist er aufgewachsen. Später studierte er in Zürich und Basel, war Lernpfarrer und dann Stellvertreter in der deutschsprachigen Kirchgemeinde in Payerne. Nach einer weiteren Stellvertretung in Nesslau leitete er 2 Jahre lang ein Freizeithaus für Studierende in Uerikon ZH (das sog. „Ritterhaus“), bevor er 1948 in Gächlingen seine erste richtige Pfarrstelle antrat. Von 1957-76 amtete er in Dornach und wechselte dann noch einmal bis zur Pensionierung in die Kirchgemeinde Lohn-Stetten-Büttenhardt. In dieser Zeit wurde aus der Ehe mit Friedel Furrer eine 6-köpfige Familie.
Er sei ursprünglich ein strenggläubiger Schüler Karl Barths gewesen, sagte er. Die meisten Menschen, die ihn in Lohn und v.a. nach seiner Pensionierung kennenlernten, konnten das kaum glauben. Er hatte einen weiten Horizont und konnte auch als Senior im Pfarrkapitel gut zuhören, ja war neugierig auf die Erfahrungen der Jungen. Er war undogmatisch offen auch für pfarrerlich Unkonventionelles und nutzte in Predigten und zahlreichen Zeitungsbeiträgen durchaus auch einmal das, was er die „Narrenfreiheit eines Pensionierten“ nannte.
Mit mir ist er nochmals regelmässig an die Universität gegangen, um auf dem Laufenden zu sein, was sein Schützling da so lernt und treibt. Ab und zu konnte ich ihm das mit einem Glas Lieblingsgonfi vergelten – er mochte nämlich Süsses! Dankbar denke ich an so manches tiefschürfende Gespräch zurück.
Genauso bedächtig, wie er sich am Telefon zu melden pflegte, waren auch seine Meinungsäusserungen, oft mit feinem Humor und einer gewissen Selbstironie gewürzt – wir Kolleginnen und Kollegen hatten ihn einfach gern in unserer Runde. Und noch in seinen Kolumnen, die er in der Reformierten Presse über das Dasein im Altersheim schrieb, konnte man in und zwischen den Zeilen ein feines Lächeln auf seinen Lippen wahrnehmen. In einem der letzten dieser Beiträge dachte er über die Abschiedsgesten des Altersheims für Verstorbene nach – und wie das dann einmal bei ihm sein werde. Er hätte zugestimmt, wenn man das als Ahnung interpretiert hätte.
Lieber Otto: Wir erinnern uns gern an dich. Leb wohl!
PS: Posthum erschienen seine Kolumnen für die Reformierte Presse im Buch "Heimgang. Gedanken über den Lebensabend".
Joachim Finger, Beringen