nekrologe.ch

Arnold Bittlinger

*13.06.1928  †23.05.2025

Einsatzorte

1952 - 1954: Pfarrverweser, danach Pfarrer in Speyer D
1954 - 1955: Aufbau Schülermission in D
1956 - 1959: Pfarrer in Ludwigshafen am Rhein, D
1959 - 1966: Leiter des volksmissionarischen Amtes der pfälzischen Landeskirche
1966 - 1973: Mitarbeit beim Marburger Kreis
1968 - 1978: Leiter der Oekumenischen Akademie Schloss Craheim, Berater OeRK zu charismatischer Erneuerung
1969 - 1970: Assistent des orthodoxen Prof. Nikos Nissiotis am Oekum. Institut der Universität Genf, GE
1977 - 1987: Mitarbeiter des OeRK, Bereich Evangelisation und Gemeindeaufbau
1978 - 1993: Pfarrer in Oberhallau SH, dazu Mitarbeit im OeRK (Evang.&Gemeindeaufbau), SH
1978 - 2007: Leiter der Ökumenischen Akademie im Nidelbad, ZH
von 1980: Anerkennung der Akademie als Studienzentrum durch den Ökumenischen Rat der Kirchen, ZH
1984 - 1992: Seelsorger und Psychotherapeut in der Psychiatrischen Klinik Breitenau, Schaffhausen, SH
von 1993: Ruhestand in Erzingen D, eigene Praxis für Psychotherapie in Schaffhausen und Zürich, Dozent C.G.Jung-Institut Zürich
Bild Arnold Bittlinger

Nachruf

Jugendjahre
Arnold Georg Bittlinger wurde am 13. Juni 1928 als Sohn des Landesjugendpfarrers Georg Bittlinger und seiner Ehefrau Wilhelmine, geb. Jung, in Edenkoben/Pfalz geboren. Sein Vater war Elsässer, seine Mutter stammte aus einem Weingut in der Pfalz in der Gegend der Nahe, Ebernburg, das seit dem 17. Jh. bis heute noch immer im Besitz der Familie Jung ist. Ein prägendes Kindheitserlebnis war für den 9-jährigen Arnold der miterlebte tödliche Unfall seines 11-jährigen Bruders Karl.
Nach Besuch der Volks- und Oberschule Edenkoben und des Humanistischen Gymnasiums Neustadt a. d. Weinstrasse bestand er 1948 das Abitur.
Während der Zeit, in der die Schulen infolge der Nachkriegswirren geschlossen waren, absolvierte er von April bis Oktober 1945 ein Weinbaupraktikum im grosselterlichen Weingut in Ebernburg an der Nahe und leitete in Ebernburg den von ihm gegründeten Kirchenchor. Nach Edenkoben zurückgekehrt, baute er in seiner Heimatstadt die evangelische Jugendarbeit neu auf, die während des Dritten Reiches zum Erliegen gekommen war.
Studium
Von 1948 bis 1952 studierte Arnold Bittlinger Theologie in Mainz, Aix-en-Provence, Bethel und Heidelberg. Er besuchte ausserdem psychologische und kunstgeschichtliche Vorlesungen und Seminare und war aktiv in der christlichen Studentenarbeit tätig. 1952 bestand er das theologische Examen. Im Frühjahr 1969 besuchte er das orthodoxe Seminar in Bossey und Paris und schloss mit dem -Diplom des Oekumenischen Instituts des Weltkirchenrats in Bossey, GE, ab, wo er bei Joseph Ratzinger, dem späteren Benedikt XVI., studiert hat und 1969/70 Assistent des griechisch-orthodoxen Religionsphilosophie-Professors Nikos Nissiotis war.
1971 wurde Arnold Bittlinger «Fellow» des Instituts für Oekumenische und Kulturelle Forschung in Collegeville, Minnesota und Mitglied des Lehrkörpers («Faculty-Member») der St. Johns University, Collegeville. Im Studienjahr 1971/72 weilte er mit seiner Familie in Collegeville und studierte neben seiner Forschungstätigkeit Psychologie und Kunstgeschichte an der St. Johns University. Während dieses Amerika-Aufenthaltes wurde Arnold Bittlinger in den Stamm der Chippewa-Indianer (Algonkin-Nation) aufgenommen.
Nach Europa zurückgekehrt, promovierte er summa cum laude an der Universität Birmingham zum Doktor der Philosophie mit einer Dissertation über den «römischkatholisch-pfingstlichen Dialog und seine ökumenische Relevanz». Die Dissertation erschien 1978 im Peter Lang-Verlag in Frankfurt am Main unter dem Titel «Papst und Pfingstler». Er vervollständigte seine psychologischen Kenntnisse und Erfahrungen durch zahlreiche Weiterbildungskurse und Seminare (Gruppendynamik, Themenzentrierte Interaktion, Creativity-Training, Bioenergetik, Katatymes Bilderleben, Transaktionsanalyse, Gestalt-therapie, Psychodrama, Bibliodrama u. a.). Er begann eine Ausbildung am C. G. Jung-Institut Küsnacht/ZH, machte seine Lehranalyse bei Verena Kast und schloss mit dem Diplom in Analytischer Psychologie ab. Später arbeitete er als Dozent im C. G. Jung-Institut.

Familie
1953 heiratete Arnold Bittlinger in der Stiftskirche in Neustadt an der Weinstrasse Ilse Bittlinger-Baumann. Dem Paar wurden vier Kinder geschenkt: Tochter Sulamith 1954, dann die drei Söhne Andreas 1956, Clemens 1959, der zu einem bekannten Liedermacher im deutschsprachigen Raum wurde, und Stefan 1963. Arnold liebte es, seinen Kindern Bärengeschichten zu erzählen. So überraschten sie ihn an seinem 85. Geburtstag mit Geschenken und Produktionen rund ums Thema Bär.
1991 wurden er und seine Frau Bürger von Oberhallau im Klettgau. 2005 erlitt seine Frau einen Schlaganfall. Er las ihr 2008, kurz vor ihrem Tod, ihre erste Märchenpublikation vor, die er ihr zu Weihnachten 1992 geschenkt hatte: «Selbstwerdung – eine Deutung des Grimm’schen Märchens ‹Die Gänsemagd›». Dazu schreibt er: «Sie hat dabei die Augen weit aufgemacht, im Unterschied zu anderen Texten, reden konnte sie nicht mehr.»
Nach dem Tod seiner Frau Ilse heiratete er 2013 Bettina Egli in Altstätten SG und pendelte mit ihr zwischen Erzingen und Heerbrugg hin und her, bis er 2022 endgültig nach Heerbrugg zog. Sie lektorierte seine Publikationen, die in dieser Zeit in neuen Auflagen erschienen.

Start der beruflichen Laufbahn
Nach seinem theologischen Examen wurde Arnold Bittlinger 1952 in seiner Heimatstadt Edenkoben ordiniert, als Vikar in Kaiserslautern und später als Pfarrverweser in Speyer eingesetzt. Anschliessend wurde er Leiter der Schülermission in Deutschland, die er nach dem Vorbild der englischen Interschool Christian Fellowship aufbaute.
Nach seinem zweiten theologischen Examen wurde Arnold Bittlinger 1956 Pfarrer in Ludwigshafen am Rhein mit einem selbstständigen Pfarrbezirk von ca. 7000 Gemeindegliedern. Dort gründete er eine lebendige Jugendarbeit und zahlreiche Hauskreise (die z. T. heute noch bestehen). Zudem war er massgeblich am Errichten der Lukaskirche beteiligt und setzte sich bei der Namensgebung durch. 1959 wurde er zum Leiter des Volksmissionarischen Amtes der Pfälzischen Landeskirche berufen.
Dieses Amt hatte er bis 1966 inne, und in dieser Funktion reiste er von September bis Dezember 1962 durch die USA zum Studium von Fragen des missionarischen Gemeindeaufbaus. Dabei stiess er auf die Anfänge der Charismatischen Erneuerung in lutherischen, episkopalen und reformierten Gemeinden. Ausserdem interessierte er sich für den amerikanischen Weinbau und erwarb das Weindiplom des Kalifornischen Weininstituts.
Nach seiner Rückkehr aus Amerika beschäftigte er sich theoretisch und praktisch mit Fragen des charismatischen Gemeindeaufbaus und veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zu dieser Thematik. Er hatte in Amerika über eine Prophetie den Auftrag dazu erhalten. Arnold Bittlinger beschreibt dies in seinem Buch «Oft auch gegen den Strom» (Bd. 2, S. 262 ff) wie folgt:
«Es stellte sich heraus, dass Frau Kvinge eine prophetische Gabe hatte. Was sie weissagte, schrieb ihr Mann auf. Wir beteten miteinander, und dann begann Frau Kvinge zu reden. Sie weissagte, dass ich den besonderen Auftrag von Gott hätte, das neue Wirken des Geistes in Deutschland zu bezeugen. Ich fühlte mich wie Jona, der ins Meer geworfen wird, um per Fisch in seine Heimat zurücktransportiert zu werden. Insgeheim hatte ich nämlich Ausschau gehalten nach einer geeigneten Stelle in den USA, zum Beispiel als College-Professor, weil ich gerne in den USA bleiben wollte. Damit war es nun nichts – die Prophetie war messerscharf und ist mir tief in die Seele gedrungen.»

Die Oekumenische Akademie
1968 gründete er zusammen mit dem Franziskanerpater Eugen Mederle und dem Baptistenpastor Wilhard Becker das «Lebenszentrum für die Einheit der Christen» in Schloss Craheim bei Schweinfurt und baute dort die 1966 von ihm in Hambach-Pfalz gegründete Oekumenische Akademie weiter aus. Nach seinem Umzug in die Schweiz (1978) wurde die Oekumenische Akademie dem Schweizerischen Diakonie-Verein angegliedert und 1980 vom Weltrat der Kirchen (WCC) als Studienzentrum der Kommission für Weltmission und Evangelisation (CWME) anerkannt. Verbunden damit war die Gründung des Metanoia-Verlags 1990.
Anliegen der Oekumenischen Akademie ist die Förderung einer oekumenischen Spiritualität, bei der es um die Erprobung von kreativ-charismatischen Alternativen zum bürgerlichen Lebensstil geht (mit begleitender und nachfolgender kritischer Reflexion). Hierzu veranstaltete die Oekumenische Akademie Tagungen und Kurse in verschiedenen Tagungsstätten und Gemeinden. Die Veröffentlichungen des mit der Oekumenischen Akademie verbundenen Metanoia-Verlags spiegeln das breite Spektrum dieser Aktivitäten.
Im Rahmen der Oekumenischen Akademie gründete Arnold Bittlinger 1976 zusammen mit der Ärztin Doris Gerlinger-Hundmeyer und der Krankenschwester Verena Wurster-Eichmann in München ein «Healing Home», für das er bis zur Übernahme durch einen eigenen Trägerkreis (1983) mitverantwortlich war.
Nachdem Arnold Bittlinger vierzig Jahre lang die Leitung der Oekumenischen Akademie innehatte, übergab er sie 2007 dem Musiker und Theologen Simon Jenny.

Oekumenischer Rat der Kirchen und Gemeindepfarramt
Vom Juli 1977 bis 1987 wurde Arnold Bittlinger vom Weltrat der Kirchen als Mitarbeiter berufen für Fragen der Evangelisierung und des Gemeindeaufbaus, nachdem er vorher schon als Berater in Sachen charismatischer Erneuerung dort tätig war (1968–1978). In dieser Funktion als Mitarbeiter unternahm er zahlreiche Forschungsreisen in alle Erdteile und organisierte 1980 eine weltweite Konsultation zum Thema «Towards a Church Renewed and United in the Holy Spirit» und gab den Berichtband dieser Konsultation heraus.
Da es sich beim Oekumenischen Rat um einen Teilzeitauftrag handelte, trat er am 1. Januar 1978 eine Stelle als Pfarrer in der kleinen Weinbaugemeinde Oberhallau im Kanton Schaffhausen an und blieb bis zu seiner Pensionierung 1993. Die Abendmahlsliturgie, welche er eigens für die Kirchgemeinde Oberhallau zusammengestellt hat, ist immer noch in Gebrauch, und auch die von ihm eingeführte gesungene Grosse Doxologie wird bis heute bei jedem Abendmahl praktiziert. Häufig kamen Leute von auswärts nach Oberhallau, um ihn predigen zu hören. «Er war ein begnadeter Kirchenmann, Prediger und Mensch» (Zitat einer Oberhallauerin). Arnold Bittlinger ist in Oberhallau all die Jahre in äusserst guter Erinnerung geblieben und war bis zu seinem Tod sehr verbunden mit seiner ehemaligen Kirchgemeinde. Zeitlebens segnete er «sein» Oberhallau und hat auch ein Oberhallauer Lied geschrieben:

Arnold Bittlinger: Oberhallauer Lied


Arnold Bittlinger setzte in der Schaffhauser Kirche auch als Synodepräsident wichtige Impulse, deren Wirkung weit über den Kanton hinausging.
Im Jahre des 700. Jubiläums der Schweizerischen Eidgenossenschaft (1991) wurde Arnold Bittlinger Bürger von Oberhallau und damit Schweizer Bürger. Von 1984 bis 1993 wirkte er als Seelsorger und Psychotherapeut in der Psychiatrischen Klinik Breitenau in Schaffhausen und als Dozent an der Schule für psychiatrische Krankenpflege.

Psychotherapeut
Arnold Bittlinger war neben seinem Engagement für die Oekumenische Akademie als Dozent am C. G. Jung-Institut Küsnacht ZH und als Psychotherapeut in eigener Praxis in Schaffhausen und Zürich tätig. Er hielt ausserdem Vorlesungen, Seminare, Kurse und Vorträge bei der Internationalen Gesellschaft für Tiefenpsychologie, in Akademien und Bildungszentren, im Radio und Fernsehen. Diese Aktivitäten fanden ihren Niederschlag in zahlreichen Publikationen, von denen einige in diverse Sprachen übersetzt wurden und weltweit wirkten. Er war auch eine Zeit lang Mitglied des Redaktionsteams der Schweizer Ausgabe der Jung’schen Fachzeitschrift «Analytische Psychologie».
Jeden Tag betete er das Unser Vater auf Altgriechisch und las in der Bibel. Wenn er die Bibel fertig gelesen hatte, fing er wieder von vorn an. Arnold war ein sehr kreativer Mensch mit viel Humor. Er war von einem tiefen Glauben beseelt, eindrücklich vertrauensvoll in sich ruhend und den Menschen zugewandt. Er wurde einmal gefragt, welches der glücklichste Moment in seinem Leben gewesen sei. Darauf antwortete er: «Der glücklichste Moment ist immer jetzt.»
Er war ein Brückenbauer. So bezog er in seinen tiefenpsychologischen Märcheninterpretationen der Brüder Grimm auch die Bibel mit hinein und verband in seinem Buch über das Vaterunser das Gebet mit den Chakren und Beispielen aus seiner tiefenpsychologischen Praxis.

Arnold Bittlinger ist am 23. März 2025 im Weinbauerndorf Berneck/SG im Alter von 96 Jahren in die ewige Heimat zurückgekehrt. Seine letzte Ruhestätte fand er im Familiengrab Egli auf dem Friedhof in Heerbrugg. Er war vieles: Theologe, Psychologe, Psychotherapeut, Buchautor, Referent, Pfarrer und Familienmensch. Er war sehr freiheitsliebend. Als Theologe war ihm in frühen Jahren der Heilige Geist besonders wichtig, später und als Psychotherapeut dann Jesus und das Unterlassen von der Seele schadendem Moralisieren. Das hat ihn noch in seiner letzten Lebensphase bewegt. Er hinterlässt ein bedeutendes Erbe in Theologie und Psychologie, das weiterhin Einfluss auf diese Bereiche haben wird.

Nach Aufzeichnungen von Arnold Bittlinger, ergänzt von Bettina Egli Bittlinger.