Walter Dolderer kam am 6. März 1930 in Zürich als jüngster von drei Brüdern zur Welt. Er sei damals nicht besonders kräftig und nicht besonders gesund gewesen, weshalb er während seiner Primarschulzeit monatelang in Erholungsheimen im Bündnerland verbrachte. Und doch bekam er einiges mit von seinen Eltern, wie er rückblickend selber schrieb: „Vom Vater erbte ich wohl das Geschick, mit Kopf und Händen etwas zu werken und zustande zu bringen. Von der Mutter bekam ich wohl Fleiss, offene Augen für Menschen und die Natur und einen klaren Sinn für Gerechtigkeit mit ins Leben.“
Walter Dolderer absolvierte eine kaufmännische Ausbildung bei einer Firma für Baumaschinen. Derweil schlug sein Herz für ganz anderes: „Ich schwärmte damals sehr für fremde Völker, Sprachen und für weisse Flecken auf der Landkarte. Mein Wunsch, in Basel ein Missionsseminar zu besuchen, ging aber nicht in Erfüllung.“
Zwar holte Walter Dolderer die Matura nach, studierte in Zürich und Basel Theologie und wurde 1958 von der Zürcher Kirche in Zürich-St.Peter ordiniert. Doch erhielt er dann den enttäuschenden Bescheid, aus gesundheitlichen Gründen nicht für die Mission in den Tropen geeignet zu sein.
So wurde er Landpfarrer in der Schweiz und gründete mit Elisabeth Thalmann eine Familie, zu der nun auch seine Tochter Monika und die beiden Söhne Peter und Ueli gehören.
Stationen seines pfarramtlichen Wirkens waren Laufen am Rheinfall, Hettlingen und Bonstetten im Kanton Zürich, sowie zuletzt die Kirchgemeinde Merishausen-Bargen im Kanton Schaffhausen. Hier diente er nebenamtlich auch als feinfühliger Seelsorger im Kantonsspital und im Kantonalen Pflegeheim.
Je länger je besser fand der geborene Städter den Zugang zur Landbevölkerung und nahm aktiv am Dorf- und Vereinsleben teil, was sehr geschätzt wurde. Nebst den unabdingbaren Tätigkeiten im Einzelpfarramt organisierte Walter Dolderer Vorträge und Filmabende, nicht zuletzt über die ehemals weissen Flecke auf der Landkarte, die ihn einst so fasziniert hatten.
Mit grossem Einsatz gestaltete er die Gottesdienste in und ausserhalb seiner Dorfkirche, bildete sich auf diesem Gebiet auch weiter, und doch:
„Rasch ablaufende Veränderungen in der Gesellschaft, auch im Arbeitsleben und in grundlegenden Lebens- und Wertvorstellungen zeigten mir schmerzlich die Grenzen der Wirksamkeit in der bisher üblichen Form eines Pfarramtes. So war die etwas vorverlegte Pensionierung im Jahre 1993 eine Erleichterung.“
Im aktiven Ruhestand lebte Walter Dolderer in Schaffhausen, genoss die Natur, die seinen Wohnort mit seiner früheren Kirchgemeinde verbindet, er lebte seine Kreativität aus und freute sich, endlich mehr Zeit für Kinder und Enkel zu haben. Schliesslich entdeckte Walter Dolderer ein neues Hobby: Er erlernte das Shakuhachi-Flötenspiel aus der japanischen Zen-Tradition. Noch einige Monate vor seinem Tod, war er rüstig genug, um mit dem öffentlichen Verkehr von Schaffhausen nach Zürich zu seinem Lehrer zu fahren.
Auf Wanderungen, Reisen und in geistigen Herausforderungen begleitete ihn nun seine freundschaftliche Partnerin Erika Groth. Sie war auch bis zuletzt liebevoll für ihn da.
Walter Dolderer starb am 20. Januar 2024. Auf seinen Wunsch hin wurde er auf dem Friedhof seines letzten Wirkungsortes, in Merishausen SH, bestattet.
Beat Wanner