Trudi Neukomm wurde am 28. Januar 1934 als drittes von vier Kindern in Hallau und als Bauerntochter von Frieda und Hans Neukomm-Ochsner geboren. Schon früh lernte sie das bäuerliche Leben auf dem elterlichen Hof kennen und arbeitete kräftig mit. Trotz der Verbundenheit mit der Landwirtschaft, die Bildung und die Welt interessierten sie mehr. Schon als kleines Kind zeigte sie ihren starken Charakter, ihren festen Willen und ihr Durchsetzungsvermögen, was ihren ganzen Lebensweg prägte. So gelang es ihr als Bauernmädchen, die Kantonsschule in Schaffhausen und die damalige Seminarabteilung zu absolvieren.
Sie wurde Lehrerin, zuerst in Schleitheim SH und schliesslich gar in Lima in Peru. Die Jahre in der „Fremde“, wo sie an der deutschen Schule unterrichtete, prägte sie stark. Auch musste sie sehr schnell die spanische Sprache erlernen. Sie erzählte später, dass sie am ersten Unterrichtstag noch kaum ein Wort Spanisch konnte… Die Schüler haben’s ihr dann wohl schnell beigebracht. Für die südamerikanische Kultur interessierte sie sich sehr. Sie unternahm Reisen in Peru aber auch nach Guatemala, wo sie früher ausgewanderte, ferne Verwandte mehrfach besuchte und an deren Leben teilnahm. In Lima lernte sie ihren Mann Manuel de Cárdenas kennen und lieben. Sie heirateten in Buch/SH 1964 und flogen dann zurück nach Peru. 1968 kamen sie dann definitiv in die Schweiz, da es für Mischehen in Lima gefährlich wurde. Trudi arbeitete als Lehrerin zuerst in Trasadingen und später in Guntmadingen SH.
Kurz vor Weihnachten 1971 verstarb Manuel nach kurzer Krankheit. Trudi litt sehr unter dem schweren Verlust und auch all die Jahre danach war dieser ihr Begleiter, obwohl sie es nur selten zeigte. Schliesslich gab sie den Lehrberuf auf und studierte in Basel Theologie.
Nach erfolgreichem Studienabschluss und dem Vikariatspraktikum im Berner Oberland wurde sie von der Schaffhauser Landeskirche am 19. Okt. 1980 in der Hallauer Bergkirche zur Verbi Divini Ministra ordiniert. Während rund 17 Jahren wirkte sie bis zu ihrer Pensionierung als beliebte Pfarrerin in Meyriez (FR) bei Murten. Dort lebte sie in einem grossen Pfarrhaus, das sie gastfreundlich mit Leben füllte. Ihre Nichten und Neffen gingen als Kinder und junge Erwachsene bei «Gotte», wie alle sie nannten, ein und aus. Ihre Grosszügigkeit kannte kaum Grenzen, und die unmittelbare Nähe zum Murtensee machten Gotte’s Haus für viele ihrer Verwandten zum Ferienparadies. Den vielen Gästen sagte sie oft: «Seid willkommen, aber kochen müsst ihr selbst.» Nicht nur Familienmitglieder, sondern auch viele Leute von fern und nah waren bei ihr willkommen, und sie half, wo immer sie konnte. Einige Frauen fanden bei ihr auch Zuflucht und Ruhe in Notzeiten.
Als ihre Pensionierung nahte, wurde immer klarer, dass sie nach Hallau zurückkehren würde. Sie erstand ein Haus beim Schwimmbad, und bis zu ihrem Eintritt ins Altersheim war sie fast täglich in der Badi, wohl ein Mitbringsel vom Murtensee. Auch nach dem Umzug übernahm sie oft Predigten, am liebsten in der Bergkirche in Hallau. Im neuen Quartier fühlte sie sich aufgehoben und genoss ein sehr freundschaftliches Verhältnis mit den Nachbarn. Mit zunehmendem Alter fiel ihr manches immer schwerer. Die Nachbarn halfen ihr, waren da für sie und betreuten sie immer häufiger. Schliesslich war der Umzug ins Altersheim unerlässlich, für sie aber nicht einfach. Das Aufgeben der vielen Andenken aus aller Welt und der Verkauf des Hauses bereiteten ihr sichtlich Mühe. Einmal eingewöhnt, war sie dann aber sehr dankbar für das warme Haus, die guten Mahlzeiten und die freundliche Betreuung. Sie musste sich nicht mehr um alles kümmern und es ging ihr gesundheitlich wieder wesentlich besser als allein in ihrem Haus. Den Umzug aller Heimbewohnenden nach Schaffhausen – wegen der Renovation des Hallauer Alterszentrums – überstand sie gut, und sie empfing regelmässig Besuch von Familie und Freunden, und fast täglich spazierte sie in der Nähe von Bänkli zu Bänkli, bis auch dies nicht mehr möglich war. Ihre Kräfte liessen nach und sie verstarb am 26. August 2022. Ein langes, spannendes und erfülltes Leben ging zu Ende. Ihre beeindruckende Wesensart bleibt allen, die sie kannten, in dankbarer Erinnerung.
Andreas Oester, Trasadingen SH