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Johann Zürcher

*24.05.1926  †15.10.2020

Nachruf

1998 Aufnahme in den bernischen Kirchendienst
Am 15. Oktober 2020 ist Dr. h.c. Johann Zürcher in seinem 95. Lebensjahr verstorben. Johann Zürcher hatte ein langes und erfülltes Leben. Seine Entdeckungsreisen durch die Schriften Albert Schweitzers wurden zu seinem Lebenswerk.
Johann Zürcher wurde am 24. Mai 1926 im Pfarrhaus Rüegsau im Emmental, als zweites von drei Kindern geboren und verbrachte dort mit den beiden Geschwistern eine glückliche Kindheit.

In der Sekundarschulzeit war sein Berufswunsch Gärtner. Dies mag für einen Theologen seltsam erscheinen. Aber Johann Zürcher interessierte sich schon immer auch für die Natur, die Musik und die Geisteswissenschaften. Für ihn ergab die Welt der Musik, der Bücher und das selbstverständliche Arbeiten in Garten und Landwirtschaft ein Ganzes. Es waren zwei Lebensbereiche, die sich keineswegs widersprachen, sondern sich, wie er dachte, in vollkommener Harmonie auch in Zukunft zu einer möglichen Lebensgrundlage verbinden würden. Er entwickelte eine Art mystisches Verhältnis zur Natur.

Nach dem Studium der Theologie und Musikwissenschaften an der Uni Bern hatte er einige Pfarrämter im Kanton Bern inne. Im Herbst 1966 heiratete er Anne-Lise de Paoli. Aus dieser Ehe stammen die beiden Kinder Anna Katharina (1968) und Matthias 1973).

Speziell zu interessieren vermochten ihn besonders die Schriften Albert Schweitzers: „Der denkt wie ich!“, war für ihn das Anfangserlebnis der Lektüre der verschiedenen Abhandlungen, Berichte, Briefe. Schweitzers Gedanken und Betrachtungsweisen entsprachen in überraschender Weise seinen Kindheits- und Jugenderlebnissen. Eine Anfrage von Prof. Neuenschwander, sich dem Nachlass von Albert Schweitzer anzunehmen, erwies sich für Johann Zürcher als glückliche Fügung - 2 Jahre waren für diese Dokumentationsarbeit zuerst vorgesehen, mehr als 30 Jahre hat sie schliesslich beansprucht. Diese Arbeit hat ihm all die Jahre hindurch Freude bereitet. Es war eine Arbeit, die ihm die Gewissheit verschaffte, einer Sache wirklich zu dienen und er hatte das Glück und die Möglichkeit, dadurch ein «Lebenswerk» zu erschaffen.

Es gelang ihm gut, eine natürliche Verbindung der Naturwissenschaften mit den Geisteswissenschaften herzustellen. Als liberaler und kritischer Theologe verstand er es ausgezeichnet, die Welt der Religionen in einen realistischen erlebbaren Kontext zu setzen und theologische Schriften nicht als reine Glaubensbekenntnisse zu interpretieren, sondern als Quelle von Erklärungen der Geheimnisse des Lebens.
Der viel zitierte ethische Satz von Albert Schweitzer „Ehrfurcht vor dem Leben“ fasst auf eindrückliche Art auch die Lebenseinstellung von ihm zusammen.
Russikon, 21.März 2021
Matthias Zürcher, Anna Städeli, Anne-Lise Zürcher