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Siegfried Müller

*29.04.1932  †30.06.2019

Nachruf

Als Siegfried Müller starb, hallten seine eindringlichen Worte nach Frieden und Freude und Dankbarkeit nach.
Sein langes Leben begann 1932 in Zürich und führte ihn durch äussere und innere Abenteuer, durch die vielfältigsten und intensivsten Erfahrungswelten – als Heilpädagoge, als Pfarrer, als Theologe, als Schriftsteller.
Immer liess er sich von Buchstaben und Worten und Sätzen leiten, die er fand, in denen er in den alten Sprachen und in alten Bedeutungen forschte, um deren Sinn in der gegenwärtigen Welt zu erkunden. Wenn Sinn dann heraussprang hatte er seine grösste Freude daran. Und er teilte den gefundenen Sinn mit Freude und Begeisterung und Intensität seinen Mitmenschen mit.
Er sah die Dinge genauso wie die Worte leuchten, von innen heraus.
Siegfried wollte die Räume öffnen und betreten in seinem Denken und Handeln, in denen die Dualität aufgehoben ist. Die Schwebefliege faszinierte ihn, weil sie gleichzeitig da und weg war. Philosophisch suchte er danach, den ruhenden Raum in Bewegung zu bringen.
In den vielen Gängen in der Natur seiner Grüscher Umgebung – seiner Apotheke, wie er sagte – beobachtete er das Licht, beobachtete er alle die wunderbaren Blumen, Kräuter, Bäume, das Wasser, die Schnecken, die genannten Schwebefliegen, die Steine im Fluss und im Berg, die Kristalle und die Hirschen im Garten des Grüscher Hauses.
Siegfried Müller wich den Härten des Lebens nicht aus, er suchte nach Lösungen, aber in allem pflegte er die Demut. Auf einem seiner unzähligen Denk-Zettel – kleinen Kärtchen, die er in jeder Situation mit seinen Gedanken beschrieb – notierte er ganz zuletzt: «Zeit-Erlebnis. Christus in uns, in dir. DEMUT.» ‘Demut’ gross geschrieben. Damit meinte er das Wiederfinden einer Balance in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Im Faltprospekt zu seinem Wir-Nachbarn-Projekt beschrieb er Balance als «Bewegung, Spiel und ein Lächeln». In der Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit an allen Orten des Prättigaus, des Kantons, der Schweiz und überall auf der ganzen Erde leuchtet die Liebe der Gott-Göttin auf, von der Siegfried Müller in und mit seinem Leben erzählte.

Ursina Hardegger, Pfarrerin und Kanzellarin der Synode