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Andreas von Rütte

*23.03.1922  †12.11.2018

Nekrologe Pfarrer Andreas von Rütte

1987 Aufnahme in den bernischen Kirchendienst
1950 – 1960 Grindelwald
1960 – 1974 Hilterfingen
1974 – 1986 Interlaken
Geboren am 23. März 1922 in Walterswil BE als Sohn von Hans von Rütte, erst seit Kurzem Pfarrer daselbst auf seiner ersten Stelle, selber Sohn eines Pfarrers der bernischen Landeskirche, und Jeanne Mundler, aus Morges VD, Tochter aus einer Pfarrfamilie der Église libre vaudoise.
1925 Umzug ins Pfarrhaus von Brienz. Unbeschwerte Jugendzeit im dörflichen Brienz am See.
Brienz hat ihn stark geprägt und das östliche Oberland zur Heimat werden lassen, obwohl er bereits mit fünfzehn Jahren nach Bern wechselte und nur noch während seltener Wochenenden und in der Ferienzeit zurückkehrte.
Gymnasiumszeit ab 1937 und ebenso die Studienjahre der Theologie ab 1942 waren schwierige Jahre. Er fand sich mit seinen Gymnasiallehrern schlecht zurecht und konnte nie mit Leichtigkeit die geforderten Schulleistungen erbringen. Schlechte Noten liessen am Selbstwert zweifeln. Auch das Studium an der theologischen Fakultät liess sich nicht leicht an. Nicht nur, dass das Studienprogramm mit Latein, Griechisch und Hebräisch oft eine schlecht auszuhaltende Paukerei war, auch theologisch blieb es unergiebig. Die Konfrontation zwischen den Liberalen und den Positiven konnten, wie sie die Fakultät und die Studentenschaft prägte, blieb ihm fremd. Er konnte und wollte sich darin nicht zurechtfinden. Aber er blieb dabei und wählte nicht den möglicherweise leichteren Weg des Aufgebens.
Es war das Bergsteigen, das ihm half, die Widrigkeiten des schulischen Lernens zu überstehen. Schon früh hatte ihn sein Vater auf Bergtouren mitgenommen. Er behielt die Berggängerei bis ins hohe Alter bei. In der Gymerzeit half der Freundeskreis, der über die Studienzeit in die langen Zeit der Berufsarbeit und bis in die späten Jahre der Pensionierten weiter bestand.
Mit den Bergen blieb er auch im Militär verbunden. Die Grenadier-Rekrutenschule 1942 stand unter dem Zeichen der politischen Bedrohung der Schweiz durch das nazistische Deutschland. Seine Militärkarriere war doppelt gekennzeichnet: einerseits Alpinoffizier einer Gebirgsbrigade und anderseits Feldprediger. Nicht nur, dass er fortan den Militärdienst fast durchwegs im Hochgebirge verbrachte, sondern in dieser Verbindung fand er den seelsorgerischen Zugang zu vielen Soldaten und Offizieren in einer Weise, wie sich das sonst kaum hätte geben können.
Das Studium in Bern, nicht zuletzt wegen der Kriegsjahre und Militärdienst oft verkürzt, unterbrach er im Herbst 1945, als er sich in Basel einschrieb, denn an ein Auslandsemester war in diesen ersten Nachkriegsmonaten kaum zu denken. An der Basler Fakultät stiess er auf die stark von Karl Barth geprägte Theologie, die ihm den Weg ins Pfarramt, das Fundament für den Pfarrberuf bereitete. 1948 das Staatsexamen und das Vikariat in Brig, in einer Gemeinde der Diaspora. Die Ordination zum VDM ging nicht ohne Friktion über die Bühne, indem er zusammen mit seinem Kommilitonen Kurt Marti, ziemlich spontan, aber mit sicherem Gespür für das, was theologisch geboten ist, den Eid verweigerte. Zum Missfallen des Kirchendirektors Markus Feldmann.
1948 eine erste Anstellung an exponiertem Ort: halb Sozialarbeiter, halb Seelsorger in der Strafanstalt Witzwil. Ein halbes Jahr später reformierter Seelsorger an der Grimsel: wo die Kraftwerke Oberhasli Betreuung der Bauarbeiter der zweiten Etappe der Grimselwerke eine Pfarrstelle eingerichtet hatten. 1949 Heirat mit Therese Häberli.
1950 Bewerbung um die Pfarrerstelle in Grindelwald. Grindelwald bedeutete eine anspruchsvolle Aufgabe in einer weitläufigen Gemeinde, gespalten zwischen einer traditionellen, ärmlichen Bergbauernbevölkerung und der aufstrebenden und platzheischenden Geschäftswelt der Touristiker. Er pflegte regen Austausch mit Kollegen des Bezirkspfarrvereins. Über Jahre bereitete er diskutierenderweise mit Bernhard Lutz vom Beatenberg seine wöchentlichen Predigten vor, bemüht um eine fundierte Auslegung des Bibeltextes.
1960 Berufung nach Hilterfingen, nun nicht mehr in ein Alleinpfarramt, sondern in Pfarrteam einer grösseren Kirchgemeinde. Interesse an neuen Arbeitsfeldern: Konfirmandenskilager, Junge Kirche, Gesprächsabende, Bibellektüren, Lebenskundeunterricht an der Berufsschule.
1974 Wechsel ins Pfarramt der Schlosskirche Interlaken, die nochmals einen Neuanfang in einer grossen, teilweise städtischen Gemeinde bedeutete.
1986 Pensionierung. Auszug aus dem Pfarrhaus und Umzug ins nahegelegene Bönigen. Noch gab er beruflich nicht ganz auf. Wo es Aushilfe brauchte, sprang er gerne ein, um einen Gottesdienst zu übernehmen. An zahllosen Abenden bot er Vorträge, bei welchen er mit Dias untermalte Anekdoten und Geschichten das Publikum zu Reflexionen einlud.
2014 entschied er sich zum Umzug ins Altersheim Sunnsyta in Ringgenberg. Spätestens seit Jahresbeginn 2018 waren die Zeichen der Altersschwäche unübersehbar. Die Einschränkungen beim Hören und der fortgeschrittene Verlust des Sehvermögens machte jegliche Kommunikation zur grossen Anstrengung. Aber mit seiner physischen Konstitution dauerte es seine Zeit, bis er an einem Novembermontagmorgen kurz nach acht Uhr verstarb.

(Hans von Rütte)