Heinz Tanner wurde am 29. Oktober 1927 in Basel geboren und wuchs als Nachzügler zusammen mit zwei Brüdern auf. Sein Vater war ein engagierter Mitarbeiter der Basler Mission; seine Mutter entstammte einer pietistischen Familie. Zu ihr hatte Heinz eine besonders tiefe Beziehung, so dass aus den Gesprächen mit ihr schon sehr früh sein Wunsch entstand, Pfarrer zu werden. Er erreichte dieses Ziel durch allerlei Kämpfe und Rückschläge, schloss das Studium in Basel und Zürich aber erfolgreich ab und wurde am 30. Oktober 1955 in Basel ordiniert. Als Werkstudent trug er finanziell einiges dazu bei: durch Arbeit am Basler Güterbahnhof wie durch Orgeldienst in der Oekolampadgemeinde. Die Musik war seine zweite Leidenschaft. Sein Klavier war noch in den letzten Tagen seines Lebens zu hören. Zahlreiche Erinnerungen hielt er in humoristischer Form im Dialekt fest; sie erschienen zuerst als Zeitungskolumnen und nachher in dem Büchlein „Baslerbresmeli“.
Heinz Tanners erster Arbeitsort war eine Vertretung in Glarus. Dort begegnete er Ida Fischli. Sie wurde seine Frau, die ihm sechzig Jahre lang in allen Belangen und Lebenslagen zur Seite stand. In der Schaffhauser Kirchgemeinde Buchberg-Rüdlingen trat Heinz Tanner 1956 seine erste Pfarrstelle an. Die Menschen waren dankbar für alles, was die junge Pfarrfamilie an die Hand nahm, etwa die Mütterferien für die sonst pausenlos arbeitenden Bäuerinnen oder die zwei Vormittage Kindergarten für die Landkinder. Hier kamen auch die drei Kinder Hans-Ulrich, Annemarie und Katharina auf die Welt, die das Leben auf dem Land, das grosse Pfarrhaus und den Garten genossen. Heinz Tanner war stolz darauf, dass sich später alle einem Beruf im sozialen Umfeld zuwandten.
Nächste Station war 1965 Grabs im Sankt-Galler Rheintal, eine Gemeinde, die sehr stark an Traditionen festhielt. Da gab es zum Beispiel Kinderlehren mit dreihundert Schülern. Heinz Tanner fühlte sich hier nicht wohl und wechselte deshalb nach zwei Jahren in die Doppelgemeinde Erlinsbach (Aargau und Solothurn). Hier fand er das Arbeitsfeld, das ihn faszinierte: die Ökumene. Es war die Zeit, als die konfessionellen Fronten zu bröckeln begannen. Zusammen mit dem katholischen Pfarrer Albin Zeder fing er darum an, Ausspracheabende zu organisieren, gemeinsame Gottesdienste zu gestalten und festgeflochtene alte Zöpfe zu lösen. Auf beiden Seiten der Kantonsgrenze im Erzbach war die Freude gross.
Von 1977 bis zu seiner Pensionierung 1990 wirkte Heinz Tanner schliesslich im zürcherischen Schwerzenbach, wo es galt, den unterschiedlichen Volksgruppen zu genügen: den „Angestellten und Arbeitern“ auf der einen, den „Gebildeten“ auf der anderen Seite. Schwierig waren zudem die Differenzen zwischen den „aufgeklärten“ und den „evangelikalen“ Christen. Auch der Umgang mit der Jugend war in dieser Agglomerationsgemeinde nicht einfach. So liess sich Heinz Tanner vorzeitig pensionieren und übernahm noch an verschiedenen Orten die pfarramtliche Vertretung. Besondere Freude bereitete es ihm, dass ihn seine erste Gemeinde, Buchberg-Rüdlingen, für ein paar Monate zu sich rief. Das zeigte ihm: ‚Man hat mich nicht vergessen.‘ So setzte er sich nochmals voll ein und genoss dieses glückliche Ende seiner beruflichen Tätigkeit.
Den Ruhestand verbrachten Heinz und Ida Tanner in Küttigen bei Aarau, wo sie noch lange mit viel Freude die Andachten im Altersheim hielten. Der alte Heinz Tanner konnte den neuartigen Formen heutiger Kirchenarbeit nicht mehr viel abgewinnen. Mit den neuen Erkenntnissen der Theologie beschäftigte er sich jedoch intensiv. So las er die Werke von Hans Küng und Eugen Drewermann, die Wege aufzeigen, wie die Botschaft der Bibel heute verstanden werden kann. In den letzten Jahren setzte ihm seine starke Schwerhörigkeit zu. Am 12. September 2016 wurde Heinz Tanner im 89. Lebensjahr von den zunehmenden Beschwerden des hohen Alters erlöst. Mit ihm ist ein Mann dahingegangen, der mit Leib und Seele Pfarrer war.
Ulrich Graf