Martin Schmidt wurde geboren am 20.7.1919 in Wernburg, Pößneck, Thüringen, als erster von fünf Geschwistern: Dorothea, Andreas, Veronika und Christopher. Seine Mutter war Ursula von Wegnern, eine Familie, welche ihren Stammbaum bis zurück zu Martin Luther pflegt. Sein Vater war Karl Ludwig Schmidt, Sohn eines Schuhmachers und Soldat im Weltkrieg, wo er schwer verwundet wurde.
Die Familie lebte eine Weile in Berlin in finanziell engen Verhältnissen mit dem Lohn eines Privatdozenten. Aus dieser Zeit ist nichts mehr bekannt ausser wenigen Anekdoten. Gemäss einer solchen war der kleine Martin mit dem Dienstmädchen Mathilde unterwegs, als er beim Vorbeigehen an einer Wirtschaft zum Spass vorschlug, doch dort "Eins trinken zu gehen", und sich plötzlich neben dem strahlenden Dienstmädchen vor einem grossen Glas Bier befand. Bier hat Martin allerdings sein Leben lang nur ganz wenig getrunken, eher Wein, in Massen, ausser vielleicht in seiner Studentenzeit. Auch später wurden die Flaschen der gut bestückten schmidtschen Hausbar Jahre oder Jahrzehnte alt, Süssigkeiten überlebten hingegen nicht lange.
Die ersten vorhandenen schriftlichen Dokumente zu Martin sind seine Schulzeugnisse: 1929 der Schule der Stadt Jena, wo er überall "sehr gut" erhielt, ausser "gut" in Schreiben, Zeichnen, Singen und Werken, letzteres immer eine Schwäche, die von seiner späteren, sehr geschickten und starken Frau ausgeglichen wurde.
Im selben Jahr folgte die bestandene Schwimmprüfung. Martin war sein ganzes Leben ein sicherer Schwimmer, immer Bruststil und ohne Flossen, aber wo es Fische zu sehen gab, mit Tauchbrille und Schnorchel; eine Begeisterung, die er auch später seinem Sohn beibrachte.
Im selben Jahr wechselte er ins Gymnasium Carlo-Alexandrium zu Jena, mit ähnlicher Benotung, und dann zwei Jahre in das Staatliche Beethoven Gymnasium zu Bonn, wo die Familie nun wohnte, der Vater ein Theologie-Professor für Neues Testament, wie schon vorher in Gießen und Jena. Hier endete Martin's Zusammenleben mit den Geschwistern, der jüngste Bruder Christopher erst 2 Jahre, durch Wechsel in die Stiftische Landesschule zur Pforte in Schulpforte, hier die Noten nur noch „gut“ und Schreiben, Zeichnen, Musik und Sport „genügend“. Statt „Biologie“ gab es „Rassenkunde“, und der sozialdemokratisch aktive Vater wurde entlassen und emigrierte mit Familie in die Schweiz, zunächst nach Lichtensteig und dann Basel, wo er wieder eine Professur erhielt.
Martin wechselte in die Evangelische Lehranstalt Schiers, Graubünden, wo er 1938 mit der Matur abschloss mit fast alles Bestnoten. Später bezeichnete er diese Jahre als die glücklichsten seines Lebens. Trotzt einer „4“ im Turnen, genoss er die Umgebung mit Berg- , Velo- und Skitouren, und die Kameradschaft mit den Mitschülern, mit denen er zeitlebens befreundet blieb, auch mit anderen Jahrgängen in der Studentenschaft „Bibel Klub“, wo er „Suso“ genannt wurde.
Noch in Deutschland hatte Martin das Klavierspielen gelernt und mit seiner Klavierlehrerin Konzerte gegeben. Er spielte sein ganzes Leben lang die Klassiker. In Schiers und später in Basel kamen kurze Tätigkeiten als Schauspieler hinzu. Gesegnet mit einem bis zuletzt ausgezeichneten Gedächtnis, fiel ihm das Lernen leicht, auch der etlichen für die Theologie notwendigen Sprachen sowie Englisch und ein paar anderen, sowie die Fremdsprache Schweizerdeutsch. Er studierte neun Semester an der Uni Basel und eines in Zürich. Dann kam die Zeit des Krieges, und die Deutschen wollten ihn als Soldat, aber er genoss den Schutz der Schweiz und erklärte sich als staatenlos. 1942 gewährten ihm die Gemeinde Riehen, wo die Familie hingezogen war, und der Kanton Basel dann das Bürgerrecht. Er wurde in den Hilfsdienst einberufen, musste aber erst 1971-73 tatsächlich in den Zivilschutz. Nach etwa einem Jahr als Lehrvikar in Payerne erfolgte 1943 seine Ordination in Basel. In diesem Jahr wurde er Verweser in Seebach (Zürich) und trat dann bis 1945 eine provisorische Stelle als Religionslehrer in Schiers an.
1947 wurde er zum Pfarrer von Kilchberg, Baselland, gewählt, machte auch Vertretungen. An einer solchen in Mürren lernte er die Krankenschwester Ruth Kempter kennen und sie heirateten 1950, zivil in Basel, kirchlich in der winzigen Kirche von Feldis/Veulden, nur mit Trauzeugen und dem Pfarrer Michaelis, mit dem Martin kollegial befreundet war. Später kam das Ehepaar oft nach Feldis in die Ferien und kaufte dort später sogar ein Ferienhaus, das Martin sehr oft aufsuchte. Sein berühmt gewordener Vater war gesundheitlich und psychisch angeschlagen und starb wenige Jahre später; mit der Schwiegermutter gab es Konflikte.
Bis 1955 waren die beiden in Kilchberg und leiteten auch Lager, einige zusammen mit dem befreundeten Ehepaar Manz.
Dann erfolgte eine Umsiedlung in die südlichen USA, zusammen mit dem nun 1-jährigen Sohn Theodor, mit einer Stelle als Dozent an der Uni von Emory. Wenig später ging es weiter nach Westen, zum San Francisco Theological Seminary im kleinen Ort San Anselmo, bis 1967 mit einem Jahr Sebatical in Basel. Martin reiste mit und ohne Familie auf dem grossen Kontinent, aber auch nach Europa, mit allem, was sich motorisch fortbewegte, am liebsten aber mit Frachtschiffen. Weite Fernreisen machte die Familie nie, ausser das Ehepaar später ein Mal nach Korea wegen engen Verbindungen zu ehemaligen Studenten. Martin fiel durch die Fahrerprüfung und war auf einem Auge praktisch blind, so dass seine Frau die in den USA fast unumgänglichen Autofahrten machte. Er war ein beliebter Dozent, was auch an der Unterstützung und den Kochkünsten seiner Frau lag.
Zurück in der Schweiz, wurde Martin 1967 ordentlicher Professor an der Uni Basel, 1981 für Neuere Kirchengeschichte und Dogmengeschichte. Die Familie lebte in Riehen nahe seiner Mutter und Schwester Dorothea, dann an mehreren Orten in Basel und in Frenkendorf BL. Dutzende Male wurde gezügelt, mit allem Hab und Gut. Martin war Sammler und Archivar, interessierte sich für Bücher, Kunst, Musik, Steine und Muscheln, Briefmarken und Münzen, Reiseandenken und Katzen(-Bilder). Alles immer perfekt geordnet, meistens nach Grösse, denn gepflegtes Aussehen war ihm wichtig, auch bei sich selber. Er war auch ein „Geber“, immer grosszügig. Zahlreiche Hilfswerke profitierten, auch sozial tätige und in den Bereichen Gerechtigkeit und Umwelt. Nie politisch aktiv oder exponiert, war Martin in seinen späten Jahren aber Mitglied der Grünen und versäumte keine Abstimmung oder Wahl. Auch ein grünes Händchen hatte er im Garten, mit dem Setzen von Blumen.
Zum Beruflichen hier nichts, ausser dass viel Zeit im eigenen „Studierzimmer“ verbracht wurde (das während seiner Raucherzeit ganz braun wurde), von Hand oder auf der Maschine schreibend, vom Computerzeitalter knapp verschont.
Abgesehen von wenigen Problemen wie Rückenschmerzen und Perioden von Überlastung und Schwäche, war Martin meistens gesund und überlebte im Alter eine schwere Lungenentzündung und einen grob unentdeckten Blutmangel ausgerechnet um seinen 90. Geburtstag herum, als das theologische Seminar der Uni und eine ehemalige koreanische Studentin für ihn eine Festschrift in Basel organisierte. Inzwischen lebte das Ehepaar in einer Wohnung in Steffisburg in der Nähe ihres Sohnes. Relativ unbeschwerte Jahre folgten, doch der Aktionsradius schrumpfte Jahr für Jahr. Die Ausflüge, Konzert- und Kirchenbesuche nahmen ab, doch Martin las jeden Tag die Zeitung und Bücher, hörte Radio und sah fern, spielte Klavier und Schallplatten und empfing Besucher. Seine Frau umsorgte ihn, er organisierte. Gute Frauen einer Haushaltshilfe unterstützen sie. Aber wenige Monate vor seinem 96. Geburtstag, auf dem Weg zum täglichen Tee, brach Martin Schmidt zusammen und verliess uns
Theo Schmidt