Theologische Verantwortung test

Auf dieser Seite veröffentlicht der Vorstand des Pfarrvereins theologische Reflexionen zu aktuellen Themen.
Zur Bewahrung der Schöpfung Liebe Mitglieder des Pfarrvereins

Die Bedrohung der Natur durch den Menschen ist bekanntlich eines der grossen Probleme unserer Zeit. Als Theologen und Pfarrpersonen sind wir gefragt: Was haben wir dazu zu sagen und was werden wir tun? Gerne teilen wir einige Gedanken mit euch, die wir uns im Vorstand des Pfarrvereins dazu gemacht haben. Es ist uns bewusst, dass wir damit nicht alles sagen, was wichtig ist, aber es soll ein wesentlicher, theologischer Impuls sein.

Das erste klingt banal: Für die Theologie ist die Natur eine Schöpfung Gottes, und der Mensch hat seinen besonderen Platz darin. Er hat den biblischen Auftrag, die Schöpfung zu bebauen und zu bewahren. Und er wird als Co-Creator gesehen, denn er ist selber schöpferisch und soll die Welt mitgestalten.
Das zweite ist schwierig zu hören: Die Menschheit ist seit einigen Jahrzehnten in der Lage, das Klima auf der Erde zu verändern und den Lebensraum von Menschen, Tieren und Pflanzen zu zerstören. Aus biblischer Perspektive ist die Zerstörung des Lebensraums Erde Ausdruck der Zerrissenheit des Menschen in der Beziehung zu Gott. Sie steht im Widerspruch zum Wort und Willen Gottes. Die in der Theologie als Sünde bezeichnete Gottesferne gebiert Unheil. Es braucht eine Metanoia, eine Wandlung in der Tiefenstruktur der Menschen.
Das dritte ist erlösende, evangelische Botschaft: Durch die Zuwendung Gottes zum Menschen und die Vergebung der Schuld durch Jesus Christus und durch die Erneuerung des Menschen durch den Heiligen Geist wird die Beziehungslosigkeit des Menschen zu Gott geheilt. Somit aus seiner Selbstbezüglichkeit gerissen, vermag der Mensch sich wieder dem Mitmenschen zuzuwenden, die ihn umfangende, leidende, seufzende Schöpfung überhaupt wahrzunehmen und sich in den Dienst der Versöhnung und der Bewahrung der Schöpfung zu stellen.
Das vierte ist Sendung und Auftrag: Es ist an uns, in der «herrlichen Freiheit der Kinder Gottes» (Römer 8,21) zu handeln.

Wäre dies nicht ein Wort, das wir heute zu sagen haben? Und wäre es nicht an uns, durch unser engagiertes Handeln von der «Freiheit der Kinder Gottes» Zeugnis abzulegen?

Für den Vorstand des Pfarrvereins
Arnold Steiner
September 2023
Zum Krieg in der Ukraine An die Mitglieder des Pfarrvereins

Der Krieg in der Ukraine macht uns betroffen. Am 24. Februar 2023 wird sich der Überfall
Russlands auf die Ukraine jähren. Der Pfarrverein möchte seine Mitglieder ermutigen,
weiterhin theologisch, seelsorgerlich und diakonisch Verantwortung wahrzunehmen.
Spiritualität und Reflexion
Der Krieg in der Ukraine erzeugt widersprüchliche Gefühle der Wut und Ohnmacht, der
Verzweiflung und der Hoffnung, des Zynismus und der Hilfsbereitschaft. Diese inneren
Regungen müssen zunächst ausgehalten werden. Denn sie zu verdrängen, kann zu
übereilten Schuldzuweisungen, zu Lähmung oder Aktivismus führen. Dann ist es hilfreich,
das Herz vor Gott auszuschütten. Dieser spirituelle Weg führt zu einer klareren Sicht und zu
mehr Handlungsfähigkeit. Sodann hilft die gemeinsame Reflexion, die Situation vernünftig zu
beurteilen und realistische, hoffnungsvolle Handlungsoptionen zu klären.
Solidarität
Die Opfer und alle, die unter dem Krieg leiden, brauchen unsere Solidarität. Diese zeigt sich
in unserem Gebet und in unseren Hilfsaktionen. Es ist wichtig, in der Hilfsbereitschaft treu zu
bleiben. Hier können Kirchgemeinden eine wichtige Funktion haben.
Fremde zu beherbergen und Flüchtlinge aufzunehmen ist ein Grundgebot des Evangeliums.
Die Schweiz nimmt aktuell viele Asylbewerber und Schutzsuchende auf. Damit diese in der
Schweiz und die Schweiz mit ihnen eine gute Zukunft haben, braucht es über Jahre eine
grosse Anstrengung zur Integration. Die Pfarrschaft sollte diese mit Wort und Tat
unterstützen.
Theologische Beurteilung des Krieges
Der Krieg verursacht unermessliches Leid. Menschen verlieren ihre Gesundheit und
psychische Integrität, ihre Heimat, Arbeit und Brot. Viele verlieren ihr Leben. Die Wunden
und ihre Folgen schmerzen oft noch Generationen später.
Ziel der Politik sollte immer die Gerechtigkeit, der Friede und die Bewahrung der Schöpfung
sein. Da, wo Krieg geführt wird, sollte zumindest das humanitäre Völkerrecht eingehalten
werden.
Als Theologen bringen wir unsere Sicht der Gerechtigkeit in den politischen Diskurs ein. Dass
der Patriarch Kyrill (Moskau) den völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine
theologisch legitimiert, empfinden wir als Schande für die Christenheit.
Nach dem Evangelium besteht eine Spannung zwischen der weltlichen Gerechtigkeit und der
göttlichen Barmherzigkeit. Diese Spannung wollen wir in der Hoffnung auf das Reich Gottes,
das unter uns beginnt, aushalten und unsere Handlungsspielräume nutzen, um der Liebe
und Güte bzw. der Menschlichkeit Raum zu geben.
Friedensarbeit
Wenn einmal die Waffen schweigen werden, muss Friede gestiftet werden. Dazu gehört der
Dienst der Versöhnung. Ein dauerhafter Friede zwischen der Ukraine und Russland wird nur
möglich sein, wenn auch die Wunden der Vergangenheit geheilt werden. Wir sollten das
Bewusstsein für die Tiefendimension der Versöhnungsarbeit schärfen.
Die Rolle der Religion im Krieg
Welche Rolle spielt die Religion in diesem Krieg? Einerseits wird die Religion mit der einen
oder anderen Nation bzw. Herrschaft verbunden. Das fördert die nationale Identität und den
Wehrwillen. Es darf aber ja nicht dazu führen, dass der Krieg als Mittel geheiligt wird.
Andererseits schöpfen Christen auf beiden Seiten aus ihrem Glauben Kraft, die Not zu
ertragen, und Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit. Denn die Liebe Gottes schliesst die
ganze Welt mit ein. Und das Kreuz Jesu ist das Zeichen der Versöhnung für die Vielen. Es ist
wichtig, dass wir die internationale Einheit des Glaubens betonen. Dies umso mehr, als
sowohl auf ukrainischer als auch auf russischer Seite Christen kämpfen. Und wir sollen
verkünden, dass die Versöhnung, die Christus gestiftet hat, allen Menschen gilt, auch den
Feinden.
Vorstand des Zürcher Pfarrvereins
Präsident Pfr. Arnold Steiner
Zürich, Januar 2023
 
Autor: Evelyne Lott - Bereitgestellt: 27.09.2023 - Besuche: 32 Monat
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