Massnahmen gegen den Pfarrmangel - Artenschutzprogramm für seltene Vögel

IMG_5437 (Foto: Verena Salvisberg)
Pfarrerinnen und Pfarrer sind selten geworden sind. Rarer noch als Kirchenmitglieder, besonders wertvoll auch.
Kathrin.Brodbeck,
Letztes Jahr habe ich darüber gesprochen, dass wir Pfarrerinnen und Pfarrer selten geworden sind. Rarer noch als Kirchenmitglieder, besonders wertvoll auch. Wir sind mit diesem Schicksal nicht allein. Wir teilen es mit Waldrapp, Wiedehopf und Auerhahn. Nach der letzten Jahresversammlung hat der Vorstand deshalb beschlossen, dass wir einen Ausflug machen und die Vogelwarte Sempach besuchen.
Wir haben dort die Ausstellung angeschaut und uns informiert. Die Bedrohungen der Vogelwelt sind vielfältig: Katzen, Windräder, Hochspannungsleitungen, Fensterscheiben, Klimawandel und Insektensterben führen dazu, dass viele Vogelarten selten geworden sind. Wie sieht das bei uns Pfarrpersonen aus? Welche Gründe gibt es, dass wir seltene Vögel geworden sind, haben wir uns gefragt.
Wir werden nicht gejagt wie die Singvögel im Mittelmeerraum, die dort immer noch als Delikatesse gelten. Und doch fühle ich mich manchmal gejagt und gehetzt, wenn der Terminkalender voll ist und die Erholung zu kurz kommt und ich ein Treffen mit Freunden absage, weil ich zu viel zu tun habe. Wenn ich um Mitternacht immer noch vor dem Computer sitze, statt zu schlafen. Wenn ich sage: „Im Moment isch grad chli viel – aber es wird de scho wieder ruhiger“, und merke, dass ich das schon oft und immer wieder gesagt habe und mich frage, ob das überhaupt stimmt und wann es endlich mal wieder „scho chli ruhiger“ wird. Das ist keine Leim- sondern eine Stolperfalle – und auch eine Folge davon, dass wir seltener geworden sind und Stellen unbesetzt bleiben.
In der Vogelwarte werden nicht nur die Bedrohungen aufgezeigt, sondern auch die Artenschutzprogramme für seltene Vögel vorgestellt. Wir haben rasch gemerkt, dass ein Reservat, ein Waldreservat, wie es der Auerhahn benötigt, für uns nicht in Frage kommt. Hellhörig geworden sind wir beim Stichwort „Aufwertung der Lebensräume“. Für seltene Vögel werden Hochstammobstbäume gepflanzt, um auf diese Weise die Landschaft aufzuwerten, Nistkästen werden installiert oder Ruheplätze für Zugvögel eingerichtet. Aufwertung der Lebensräume: Im Haus der Kirche und in anderen Gremien heisst das: „Attraktivitätssteigerung Pfarrberuf“. Verschiedene Verbesserungen wurden bereits umgesetzt und weitere sind in Bearbeitung:
Seit dem 1. Januar 2025 die neue Stellvertretungsverordnung in Kraft, in der die Entschädigungen für Einzeldienste nach oben korrigiert worden sind.
Zurzeit wird geprüft, ob Verweser:innen besser entlöhnt werden können und neu in der Gehaltsklasse 23 statt 21 eingereiht werden.
Ab 2026 werden bei der Gehaltseinstufung auch Masterabschlüsse in anderen Fächern und Dissertationen angerechnet (4, resp. 2 Gehaltsstufen).
Auch die Massnahmen zur Prävention von Machtmissbrauch sind ein Beitrag zu einem besseren Arbeitsklima.
So wird versucht, die Arbeitsbedingungen von uns seltener gewordenen Vögel zu verbessern. Angesichts des Personalmangels wurde in Zürich der Notfallplan P entworfen: Wer 55 Jahre alt ist und über einen Studienabschluss verfügt, ein Aufnahmegespräch absolviert und drei Monate einen Kurs besucht, der soll eine Pfarrstelle übernehmen dürfen. Ein Notfallplan, eine Übergangslösung heisst es – in unseren Augen nichts anderes als der Ausverkauf des Pfarramts. Aus einem Spatz wird so schnell kein Auerhahn.Der Blick in die Vogelwelt zeigt, dass v.a. Spezialisten bedroht sind. Generalisten wie die Stockente, die ein bischen Tauchen, schwimmen und Fliegen kann – aber in keiner Diszplin exzellent ist, die schlagen sich ganz gut mit den Bedingungen die sich geändert haben. Diesbezüglich wird bei uns allerdings ein anderer Weg eingeschlagen. Die Ausbildung soll diverisviziert werden. Das Projekt heisst PfaD.
Weil ich ornithologisch wirklich interessiert bin, war ich nach dem Ausflug in die Vogelwarte auch noch bei einem Morgenspaziergang, um die heimische Vogelwelt noch besser kennenzulernen. Und was mir da im Zusammenhang mit dem Personalmangel geblieben ist, ist folgendes: die Ornithologin hatte vier Stare gesichtet. Stare haben eine sehr gesellige Lebensweise, erklärte sie uns, und dass die Stare von klein an das Fliegen in grossen Schwärmen trainieren und üben müssen. So schützen sie sich vor Angriffen durch Raubvögel. Stare bewegen sich extrem koordiniert. Ihre Flugmanöver sind eindrücklich. Die synchronen, wellenförmigen Bewegungen der fliegenden Stare wirken fast wie ein eigener, gigantischer und nimmermüder Organismus. Die Schwarmbildung schützt Stare. Mir ist während ihren Ausführungen das Stichwort „Interprofessionelle Zusammenarbeit“ oder „die Arbeit in interproffessionellen Teams“ in den Sinn gekommen. Im Bezirk Jura – und natürlich nicht nur dort – kann man beobachten, wie Teams auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
Wir alle sind Kirche wir gestalten sie gemeinsam – pro Specie rara!